Warum schleppt einer eine fast 100 Jahre alte angerostete Maschine 600 Kilometer bis in die Schweiz, die nichts anderes kann, als Linien zu machen? Okay, die Förste & Tromm Liniermaschine macht wirklich hübsche Linien. Aber das kann man, wenn man es denn nostalgisch mag, auch mit Buchdruckmaschinen machen. Oder etwa nicht?
Für Daniel von Rüti jedenfalls, der mit dieser schönen Maschine arbeitet, ist eindeutig auch der Weg ein gutes Ziel: „Weil sie so attraktiv arbeitet“, schwärmt er in sympathisch schweizer-deutsch gefärbter Begeisterung. Daniel ist Künstler, Autor und nun auch Hersteller von feinsten nachhaltigen Notizbüchern in Manufakturarbeit, wie sie keine Buchdruckmaschine erzeugen könnte.
Gemeinsam mit Axel Friedrich vom Maschinenzoo holte er die Förste & Tromm 2017 aus der ehemaligen Buchdruckerei Hans Bauer in Hof. Ihr Zustand war leider sehr schlecht, Daniel und Axel konnten nur eine der zwei Maschinen retten.
Dafür zerlegten sie die Förste & Tromm vollständig, entrosteten alle Teile, schmierten und ölten und bauten sie wieder auf. Dabei verzichteten sie bewusst auf kosmetische Maßnahmen, wie man sie heute leider bei einigen über-restaurierten Druckmaschinen sieht. Farbe und Blattgold spielten für die beiden keine Rolle, sie wollten ein Werkzeug mit Patina, keine Deko. Nur arbeiten sollte die Maschine wieder können.

Wie jedoch restauriert man eine Maschine, wenn man keine Konstruktionspläne, Handbücher usw. besitzt? Mit viel Phantasie und Geduld, erklärt Daniel vergnügt. Seine einzige Dokumentation war eine Blaupause dieser (bzw. einer ähnlichen) Maschine, die er im Internet auf der Seite der Historische Drukkerij Turnhout (die Webadresse unten in diesem Beitrag) aufstöberte. Das Kniffligste, erzählt er, war die Führung der Fäden.
Wie funktioniert eine Liniermaschine?
Wie funktioniert nun so eine Maschine? Ganz vereinfacht gesagt, so: Über die gespannten Schnüre wird der Papierbogen in die Maschine geführt. Daniel kauft dafür Restbestände in Druckereien und Papierfabriken auf, was übrigens ein Teil seines Konzepts vom nachhaltigen Drucken ist. Als Material verwendet er bevorzugt un- sowie matt gestrichene Papiere, aber auch Karton.
Der Druck der Linien erfolgt durch Messingräder, die durch Zwischenringe in verschiedensten Konstellationen angeordnet werden können. Die Farbe wird aus einem Farbkasten über ein Tuch auf Gummiwalzen geführt, die wiederum die Messingräder für den Druck einfärben. Die Linienstärke wird über die Breite, die Linienzwischenräume über den Abstand der Messingräder gesteuert. Daniel druckt Linien von 0,1 bis 1 mm Breite. Alternativ kann er die Räder mit Stempelgummis – die im Titel dieses Beitrags angekündigten „Gümmeli“ – versehen, mit denen weitere Linienformen und Muster möglich sind.
Das Ergebnis sind keine perfekt gezogenen ebenmäßigen Linien. Auf den Bildern könnt ihr das ganz gut erkennen, das Druckbild wirkt leicht anarchisch und strubbelig. Hier hat das Auge was zum Schauen und konstruktiv bedingt ist jeder mit der Maschine gedruckte Bogen ein Unikat. Selbst, wenn Daniel wollte, könnte er keinen Druck ein zweites Mal exakt wiederholen. Genau dieses Ungefähre reizt ihn, gemeinsam mit der Vielfalt der Gestaltungsmöglichkeiten und der entschleunigten Herstellung.
Mir gefällt das Inperfekte, dass jeder Druck ein Unikat und das Druckbild mit keiner anderen Maschine in dieser schönen Form zu erreichen ist
Daniel
Früher „liniirte“ man übrigens (so auch in der erhalten gebliebenen Geschäftspost aus den 1930er Jahren), während wir heute eher von linieren sprechen. Der Duden kennt und „gestattet“ beide Begriffe.
Als Farbe verwenden diese Maschinen Tinte. Daniel hat Altbestände der Firma Bison gerettet (darunter auch einige wahrhaft alte Dosen aus der Druckerei Bauer). Weil diese Farbe in Pulverform angeboten wurde, ist ihre Lagerung aber kein großes Problem. Für den Druck wird das Pulver mit destilliertem Wasser und einem Fließmittel aufbereitet.
Experimentell arbeitet Daniel auch mit einem System von modernen Stiften zum Einfärben der Messingräder bzw. Stempelgummis. Das erspart ihm das Füllen und Reinigen des auf große Auflagen ausgelegten Farbwerks und er kann eine größere Bandbreite an Farben verwenden.
Irgendwas mit Linien … Notizbücher, Blücke, Schreibpapier, Verpackungen
Was macht Daniel mit der Maschine? Einmal pro Woche druckt er in kleinen Auflagen Notizhefte, Notizblöcke und Schreibpapier, aber auch Geschenkpapiere sind möglich. Für die Bindung der Hefte kann man zwischen einer einfachen Klammerheftung und einer schönen Fadenknotenheftung wählen, die Daniel ebenfalls selbst auf einer historischen Maschine im Maschinenzoo ausführt.
Wer jetzt neugierig ist, kann in Daniels Webseite lineagloria.ch und in seinem Webshop stöbern. Das Sortiment soll noch weiter ausgebaut werden, ein Besuch lohnt sich aber auch jetzt schon. Mit einem Kauf bekommt ihr nicht nur ein schönes Heft, sondern ihr tut auch etwas dafür, dass diese (und andere) historische Maschinen erhalten bleiben. Hier geht es zu Daniels Store.
Vielen Dank an Daniel, der sich viel Zeit für das Gespräch mit mir genommen hat!
Webadresen zu diesem Beitrag
Maschinenzoo (hier wohnt die Maschine)
lineagloria (Daniels Webseite mit Shop)
Historische Drukkerij Turnhout mit Dokumenten zu dieser und vielen weiteren Maschinen
Informationen zur Firma Bison (Tinten)















6 Antworten auf „Linien drucken mit dem „Gümmeli““
fantastic machine, I’ve never seen anything like it!
Hi Francis, I was the same until recently. The notebooks Daniel makes with it are really beautiful. Small unique copies.
Cooles Ding!
Wie verrückt ist das denn bitte! Mit so einem Zettelchen vor der Nase eine Maschine reparieren?! Gut gemahct!
ich habe als Kind von 6Jahren (1927) mit einer Liniermaschine in der Druckerei meines Vaters eine „lustige“ Geschichte erlebt – nichts fachliches, aber heiter.
Sind Sie interessiert?
Viele Grüße
Nichts fachliches, aber heiter.
Sind Sie interessiert?
Gerti RosemannFreundliche Grüße
Hallo Gerti, ja, natürlich. Wenn es passendes Bildmaterial gibt?
Gott grüß die Kunst!
Stephan